Freitag, 31. Oktober 2014

Quitenische Kirchen



Heute kommen wir wie angekündigt, angedeutet oder angedroht auf die Gotteshäuser der Hauptstadt zu sprechen. Allein aufgrund der imensen Anzahl gibt es von diesem Thema kein Ausweg. Der Reiseführer empfielt den Besuch von 15 Kirchen in der kolonialen Altstadt, deren Ausdehnung nun wahrlich nicht so groß ist. Wie gesagt, es handelt sich um die Empfohlenen und bei weitem nicht die komplette Anzahl. Die Unzähligen aus der restlichen Metropole werden gar nicht erwähnt, auch wenn diese als Kontrapunkt zu ihren Urahnen sozusagen, zum Teil eine recht ausgefallene Architektur vorzuweisen haben.

Die Kirchendichte in der Altstadt ist so groß, dass sich z.B. die Iglesia El Sagrario direkt an die Kathedrale anschließt und mit dieser zu einem Sakralkomplex verschmilzt. Über die beiden kann ich nichts aus eigener Erfahrung berichten, da sie immer verschlossen waren als ich vorbei kam. Dafür über zwei, drei andere.


Básilica del Voto Nacional
 
Die wohl neueste und größte Kirche der Altstadt, ja sogar die größte neo-gothische Kirche des gesamten Kontinents, hat einige Besonderheiten aufzuweisen. Beim Namen fängt es an, der mit Basilika der Nationalen Abstimmung doch recht ungewöhnlich ist. Und das kam so: ein Pater, selbst Abgeordneter, hat dem Kongress vorgeschlagen ein Monument zur Konsekration Ecuadors zum Herzen Jesu zu errichten. Dies wurde in einer Abstimmung angenommen und ein Dekret erlassen - warum auch nicht, es gibt ja so wenige Kirchen in Quito. So beauftragte man kurz vor der vorletzen Jahrtausendwende einen französichen Architekten, der Grund warum sie wohl auch oft mit Notre Dame verglichen wird. Und kaum vergehen 100 Jahre, ist sie auch schon fertig, also beinah, auch wenn der vielreisende Pole-Paul sie bereits 1985 gesegnet hat und die Inauguration drei Jahre später stattfand. Mitlerweile hat sich hier so etwas wie ne Legende oder Sprichwort etabliert, dass wenn die Basilika je fertiggestellt sein sollte, dann ein großes Unglück passiert, ja manche sprechen sogar vom Ende der Welt. Selbst wenn das stimmt, mache ich mir da wenig Sorgen, wenn ich an den Kölner Dom oder an die Sagrada Familia denke.

Bereits von Außen sind einige Auffälligkeiten zu beobachten. In manche Steine sind Familiennamen reingehauen. Klar, denn bei einem so langen Zeitraum langt das von der Politik bewilligte Budget vorne und hinten nicht, also müssen auch Spender her. Und schließlich ist es ja auch eine nationale Aufgabe. Manche waren wohl großzügiger, denn einige Namen tauchen gleich auf zwei Steinen auf. Die Wasserspeier sind nicht nur phantasie- oder religiöse Figuren, sondern hier hat man auch auf die in Ecuador lebende Tiere zurückgegriffen: Krokodile, Iguanas, Delphine etc. Und die große Fensterrosette über dem Hauptportal ist nicht rund, wie so oft, sondern um an den Grund des Anlasses zu erinnern in Herzform.

Drinnen sind zwar wie üblich Statuen von Aposteln und Evangelisten, aber statt Heiligenbilder sieht man Bildern von Staatsmännern. Deren sterblichen Überreste befinden sich in einer Rumeshalle ein Stockwerk tiefer. Gegen einen Obullus von 2 Dollar kann man die Türme besteigen, erst über konfortable Steintreppen, dann über nicht mehr so konfortable, gußeisene Schneckentreppen. Aber nicht nur das, man kann über die gesamte Länge des Längsschiffes laufen und dann den Turm des Querschiffes besteigen, was sich recht abenteuerlich gestaltet, da die quasi Leitern super eng sind (weswegen keine amerikanische Touristen gesichtet wurden), mega steil und draußen, in luftiger, windiger Höhe verlaufen. Gott sei Dank haben sie einen beidseitigen Handlauf spendiert, in den sich die Hände bis zum weißen anlaufen der Fingerknöchel verbissen. Da waren die beiden Türme über dem Hauptportal schon bequemer. So bequem, das der Hauptstädler, ganz Geschäftsmann, in den Einen das höchstgelegene Café von Quito und in den Anderen ein Souvenirshop einbaute. In dem mit dem Café konnte man bis ganz oben hin aufsteigen. Neben den nicht funktionierenden Uhren gab es noch zwei Jugendliche zu bestaunen, die sich die luftige Lokation als Drehort für ihr selbstgemachtes Musikvideo ausgesucht haben. Dabei lag der Kameramann auf dem Rücken und der Darsteller tat so als würde er in Rage auf ihn einprügeln, während die dazugehörende Musik aus einem alten CD-Player, dessen Boxen schon ziemlich gelitten hatten, krächzte. Nach mehrmaliger Betrachtung der Aufnahme war man anscheints mit dem Ergebniss nicht zufrieden, den man wiederholte alles wieder und immer wieder. Nach dem vierten mal begann ich mit dem Abstieg.

Eines hatten alle drei Türme gemeinsam: die phantastische Aussicht. Von dem Hinteren in Richtung Berge und von den Vorderen über die Altstadt und dem dahinter gelegenen Panecillo.


Iglesia La Compania de Jesús
 
Wenn sich Reiseführer, Gastfamilie und krächzende Lautsprecherstimme im Touri-Bus einig sind, dann muss es sich wohl um die schönste Kirche in ganz Quito handeln, ja gar in ganz Hispano-Amerika. Kätzer würde sagen um die kitschigste. Die traute Einigkeit geht weiter dass es die Jesuiten waren und dass es sich um Barock handelt. Dann fangen die Meinungen an auseinander zu gehen. Der Reiseführer findet es handele sich um ein herausragendes Beispiel amerikanischen Barocks und will sogar mudjédar Stilelemente sehen (was nicht ganz abwägig ist), ein großes Plakat in der Kirche behauptet aber es sei augsburger Barock. Auf jeden Fall glitzert und funkelt es überall und man wird von dem vielen Gold erschlagen, zumal die Kirche im Vergleich auch recht niedrig ist. Es sind nicht nur die kunstvoll geschnitzen Ornamente vergoldet, sondern auch der Hintergrund, auf dem diese platziert sind. Die Decke, Säulen, die Wände bis zum Boden. Angeblich sollen seinerzeit zwei Tonnen des Edelmetalls verarbeitet worden sein. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten und der ein oder andere Schlaue ist auf die Idee gekommen es abkratzen zu wollen; deswegen patroulliert fleißig Security die Gänge entlang.

Sowohl im Kirchenschiff, in der Sakristei und in drei Räumen hinter der Kirche gibt es Gemälde der Escuela Quitena zu bewundern - so langsam rechtfertigen sich die vier Dollar Eintritt. Diese Malschule wurde auch von den Jesuiten ins Leben gerufen. Die schlauen Ordensbrüder haben sich gedacht, warum teuere Gemälde aus Deutschland anschaffen. Wir schnappen uns die talentierten Eingeborene, bilden sie am Pinsel aus und lassen sie Kopien anfertigen, nach den Drucken und Stichen der augsburger Originale. Diese Vorgehensweise ging später als die chinesische Methode in die Geschichtsbücher ein und wurde oft kopiert (!!!). Auf jeden Fall sind die Ausstellungsräume gut gemacht, da man vor jedem Bild in klein das Vorbild sehen kann und damit auch die Unterschiede. Man stellt fest dass es sich nicht um 1:1 Kopien handelt. Das Original ist zwar noch eindeutig zu erkennen, aber die quitenische Varianten sind farbenfroher, manche würden sagen naiver und man hat in den Details Lokalkolorit reingebracht (Indios, für Europäer exotische Tiere etc.). Und ich meine zwei Vorlieben der Südamerikaner ausgemacht zu haben: sind die Drucke meistens in Hochformat, so sind die Gemälde fast alle im Querformat und sind im Original ein, zwei Putten, dann tauchen in der Kopie ganze Heerscharen davon auf - anscheints steht man hier auf pausbäckige, übergewichtige Kinder.



Iglesia de San Francisco
 
Diese Kirche muss ich schon allein aus Gerechtigkeitsgründen mit aufführen, denn wenn ich jetzt so oft die Jesuiten erwähnt habe, dann sollen die Franziskaner nicht zu kurz kommen; wahrscheinlich aber auch weil mir jetzt ein schönes, kühles Franziskaner ganz gut schmecken würde. Und weil die Kirche aus den Steinen eines Inkapalastes errichtet wurde, der vorher an gleiche Stelle zerstört wurde. Und weil sie wegen Erdbeben und Brände unterschiedliche, wild gemixte Stile aufweißt. Und weil mitten im Altar die beflügelte Maria tänzelt, Vorbild für ihr überdimensionales Ebenbild auf dem Panecillo. Und weil sich unter der Kirche, mit Zugang von dem davorliegenden großen Platz, ein Restaurant befindet, das auch Cerveza artesenal verkauft, also kein "Industriebier", sondern ungefiltertes, von einer ganz kleinen Brauerei; aber dies ist nichts besonderes in Quito. Also das mit dem besonderen Bier schon, aber dass man unmittlerbar unter der Kirche dem Komerze nachgeht. Unter der hier Ersterwähnten befinden sich ca. 10 kleine Läden die von Knabbereien bis Installationsrohre alles verkaufen und unter der Kathedrale sind vier Minicafés.

Zur Kirche gehören auch noch zwei Kapellen und das Franziskanerkloster. Beides konnte ich nicht besichtigen, da das Kloster sonntags um die Mittagszeit geschlossen wird und die Kapellen am gleichen Tag um vier geöffnet werden sollten, was aber nicht geschach. Sollte es noch dazu kommen, werde ich den Bericht selbstverständlich nachreichen, da ich ja weiss wie heiß ihr auf klerikale News seid.



La Capilla del Hombre

Abschließen möchte ich diesen Post mit einer besonderen Kapelle. Sie, insbesondere der "Inhalt" stammt von Oswaldo Guayasimin, der als der wichtigste Künstler Ecuadors gilt und ist der Menschheit gewidmet. Sinngemäß hat er gesagt: wenn wir Kirchen für Götter bauen von denen wir nicht wissen ob sie existieren, wenn wir Kirchen Heiligen widmen, von denen wir nicht wissen ob sie heilig waren, warum errichten wir keine Kirchen zu Ehren der Menschen, die seit Jahrtausenden die Erde/auf Erden - an das Verb erinnere ich mich leider nicht mehr genau.

So werden auf überdimensionalen Gemälden mit zum Teil 10m Länge und 4m Höhe die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung des gesamten Kontinents angeprangert, die Versklawung von Afrikanern, aber auch die Greultaten der Militärjuntas Anfang der 70er; er war z.B. mit Allende und Neruda befreundet.

Wer Lust hat mal reinzuschauen, die Homepage ist sehr gut gemacht und man kann auch einen virtuellen Rundgang begehen:


http://www.capilladelhombre.com/index.html

 
Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt dass, man gleich daneben auch das mehr als großzügige Wohnhaus des Maestros besuchen kann, das genau so belassen wurde wie er es verlassen hatte, als er seine Reise in die USA antrat, wo er an einem Herzinfarkt starb. Leider nur mit einem Guide, der es immer ziemlich eilig hat. So kann man gar nicht richtig die Atmosphäre und die vielzähligen Ausstellungsstücke genießen: neben den eigenen Werken auch präkolumbianische Keramiken, Kolonialobjekte aller Art und im Atellier Photos von Persönlichkeiten die ihn besucht haben, aus der Politik (z.B. Mitterand, Castro), aus der Bunte (z.B. Caroline von Monaco) oder Künstler (z.B. Paco de Lucia).

Geht man am Weinkeller und an dem Grill von der Größe einer Tischtennisplatte vorbei, kommt man in den schön angelegten Garten, mit Pool, Skulpturen und einem herrlichen Blick über Quito. Hier ist die Asche Guayasamins unter dem Baum des Lebens begragen.

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