Donnerstag, 23. Oktober 2014

Quitenisches Wetter


Freunde, in Reiseführern steht manchmal der ein oder andere Schmarrn drin. Aber eben oft auch nicht. Und deswegen sollte man zwar abwegen, aber Tips und Warnungen durchaus ernst nehmen.

An meinem ersten Tag, dem Freitag, hatte ich mir vorgenommen die Innenstadt, in der auch mein Hostal lag, zu erkunden. Diese besteht aus touristischer Sicht grob gesagt aus zwei Teilen: die koloniale Altstadt für tagsüber und in dem neuen Teil das Ausgehviertel La Mariscal für abends. Nach dem Frühstück hat mir der Blick von der Terasse des Hostals verraten dass der Himmel strahlend blau ist, ohne ein einziges Wölkchen und das bei angenehmen 22 bis 24 Grad. Da ich aber von meiner Ankunft in der Nacht zuvor noch wusste dass es dann irgendwann verdammt schattig verden kann, hab ich mir auch einen Pulli in mein Rucksack gestopft. Danach marschierte ich fröhlich drauf los, denn ich bin der Meinung dass sich eine Stadt immer noch zu Fuß am besten erkunden lässt. Bedenkt man die vielen Sehenswürdigkeiten, gab es doch etwas an Strecke zu bewältigen und da es am ersten Tag mehr darum ging sich einen Überblick zu verschaffen, hatte ich beschlossen zwar schon bei den meisten empfohlenen Punkten vorbeizugehen, aber in keine der gefühlten 1.000 Kirchen reinzugehen (auf die Kirchen kommen wir noch zu sprechen, den eine solche Anzahl schreit nach einem eigenen Post), in keines der Museen etc. Von Cafes war aber nicht die Rede. Genau ein solches steuerte ich nach knapp zwei Stunden laufen an, auf der Plaza Grande, gegenüber dem Präsidentenpalast, denn das viele Hügel auf und ab machte mir Durst und die Höhenluft scheint auch schneller meine Blase zusammenzudrücken. Während Kaffee und Mineralswasser langsam bereits erwähntes Organ wieder füllten, konnte ich dem bunten Treiben auf dem Platze zuschauen. Neben Herrscharen von Schuhputzern, Eis-, Handwerkskunst- und Zeitungsverkäufern, waren die Schüler einer Militärschule am auffälligsten, die obwohl sehr jung, mit großem Stolz ihre Ausgehuniformen trugen und dabei doch wie Kinder es eben tun rumalberten.
Anschliesend war das südliche Ende der Altstadt mein Ziel, denn dort ist die Calle Ronda und die soll noch kolonialer sein, als es die koloniale Altstadt ohnehin schon ist. Den Eingang zu dieser Straße bildet die Kreuzung mit einer sehr, sehr breiten Avenida. Als mich die enge Schlucht der Adobe Häuser aus ihrer Umklammerung freigab und ich auf diese Avenida trat dürften sich meine Augen etwas geweitet haben. Über dem Kessel der Altstadt war zwar noch immer strahlend blauer Himmel, aber die Spitzen der umgebenden Hügel (wobei Hügel in dem Zusammenhang leicht untertrieben ist; da Quito als höchste Landeshauptstadt der Welt auf 2.800m liegt, kann man ruhig von Bergen sprechen) schon von Wolken aufgefressen waren, es heftig Blitzte und sich der Schleier des dichten Regens rasant näherte. Ich habe es gerade so noch unter eine ca. 5m breite Steinbrücke geschafft und dann ging es schon los. Es war einer der kräftigsten Regenschauer die ich je erlebt habe, der nicht nur von noch kräftigerem Hagel begleitet wurde, sondern auch von einer Kältefront, die die 24 Grad auf ein Drittel schrumpfen liesen. Da der böhige Wind Regen und Hagel unter die Brücke trieb und somit die 5m Trockenheit nach und nach reduzierte, rückten alle Anwesenden näher zusammen. Eine Angestellte der Stadt die auf ihrem Handwagen Karton sammelte, paar kiffende Jugendliche, ein Parkplatzzuweiser, ein Pärchen das gerade mit ihrem Hund spazieren war. Letztere waren die einzigen denen das Wetter wohl nichts ausmachte, denn sie betrieben weiterhin intensiven Speichelaustausch. Ein völlig durchnässter streunender Hund gesellte sich auch dazu und da versuchte sein angeleinter Artgenosse es seinen Herrchen gleich zu tun. Dies gefiel dem Streuner gar nicht. Irgendwas störte ihn so sehr, dass er sogar bereit war weiterzuziehen und das trockene Plätzchen aufzugeben. Als er das versuchte, schlugen ihm die niederprasselnden Hagelkörner kräftig auf die Schnautze, so dass er erstmal verdutzt für paar Schritte den Rückwärtsgang einlegte. Der Schock war aber schnell verdaut und er zog seines Weges in das kalte Nass. Aber nicht laufend, ja noch nicht mal schnell gehend, sondern langsam und bei erhobenem Haupt mit einem gewissen Stolz. Ich hätte ja gern seinem Beispiel gefolgt, aber meine Regenjacke lag im Hostal. Dabei wäre dies der ideale Härtetest für das neue Teil gewesen. Tja, ja, hätte ich nur auf den Rat des Reiseführers gehorcht: in Quito erlebt man an jedem Tag drei Jahreszeiten (also außer den Teil mit dem Schnee). Oder wie der Quiteno sagt: "el tiempo es como las mujeres!".
Seit dann geh ich nicht mehr aus dem Haus ohne Regenjacke.

So auch nicht an dem darauffolgenden Samstag, zumal es von Anfang an bewölkt war, wenn es auch keine Regenwolken waren. Diesmal war den Plan ein anderer. Ich gönnte mir für 12 Dollar die Fahrt mit einem dem roten Doppeldeckerbusse. Eigentlich nur aus zwei Gründen, den ansonsten fuhr er hauptsächlich vom Vortag bekannte Punkte an. Zum Einen fuhr er den Panecillo hoch, einen der Haushügel im Süden der Stadt und zum Zweiten war eine der Haltestellen die Talstation der Drahseilbahn die auf einen 4050m hohen Felsvorsprung des knapp 4700m hohen Rucu Pichincha führt, von wo aus man nicht nur einen tollen Blick über die Stadt haben soll, sondern auch auf die gar nicht so weit gelegenen 6000er.
Da die Sonne dank der Wolkendecke nicht runterknallte, setzte ich mich frohen Mutes auf das offene Oberdeck, auch wenn es mir nicht ganz gefiel dass die Schleife nach meinem Gusto verkehrtherum gefahren wurde, also erst auf den Panecillo und dann erst zur Drahtseilbahn. Ich tröstete mich mit dem Gedanken dass es wohl doch besser ist erst auf den Hügel zu kommen und dann auf den Berg. Nach dem wir ca. 1 Stunde benötigten um die Altstadt mit ihrem Einbahnstraßenrechtsvorlinksverkehrschaosstau zu durchqueren (zu Fuß wäre es weniger als die Hälfte der Zeit gewesen), nahm der Bus schwer schnaufend den Panecillo in Angriff. Jetzt wurde mir auch klar warum Reiseführer und die Leute im Hostal davon abgeraten haben den Hügel allein und auf die herkömmliche Art zu besteigen, denn dieses Viertel war zwar noch entfernt aber doch auf dem besten Weg das zu werden was man in Brasilien als Favella bezeichnet. Mit jeder Radumdrehung mit der wir uns dem etwas verunglückten Engel der auf der Spitze tronte näherten wurde die Sicht immer beeindruckender. Klar das sowohl die Inkas als auch später die Spanier diesen Ort als strategische Anhöhe nutzten. Als wir ihn erreichten, kündigten die krächzenden Lautsprecher eine zwanzig minütige Pause an, wörtlich als Photo- und Pinkelpause bzw. zum Besichtigen und Besteigen des 41 metrigen Werk eines italiänischen Künstlers.
Am Fuße eben dieses Engels stand, wie könnte es anders sein, denn Klischees müssen bedient werden, ein Indio mit seiner Panflöte und gab Folklore der kitschigstens Sorte zum Besten. Jedoch erfolgte wie aus dem Nichts ein harter Paradigmenwechsel, bei dem ich schier zusammengebrochen bin. Auf einmal spielt der gute Mann mit viel Euphorie und noch mehr Pathos "Griechischer Wein". Was im ersten Moment befremdlich erscheint, macht aber durchaus Sinn. Ich reime mir das so zusammen: vorfolgt man aufmerksam die Nachrichten, dann stellt man fest dass, wenn irgendwo auf der Welt, und sei die Ecke noch so entfernt, ja gar nahe des Abdomen selbiger, eine Katastrophe passiert, ein Flugzeugabsturz, ein Erdbeben oder sonstwas, ein paar Deutsche derwischt es immer. Und eben dieses Wissen hat sich der schlaue Eingeborene zu Nutze gemacht: sobald der Touri-Bus auf dem Hügel erscheint, ein paar Deutsche werden schon dabei sein. Also puste was die Lungen hergeben ein deutsches Lied. Gut, "Griechischer Wein" ist von einem Österreicher, aber die Geschichte lehrt uns dass man das nicht sooooo genau trennen muss.
Nach dem ich genug in die Weite gestarrt hatte, schlenderte ich noch an paar Artesenalzeugsständen vorbei und schon war die Pause rum. Also wieder den Hügel hinab, durch die Altstadt kriechen und dann endlich Richtung Seilbahntalstation. In der dafür benötigten Stunde kam es wie es kommen musste, schließlich war es Nachmittag. Und jetzt wusste ich warum mein Bauch, trotz reichlicher Füllung mit einem venezoelanischen Frühstück, noch die Kraft fand mit das Gefühl zu geben dass es besser wäre erst zur Talstation zu fahren. Es zog sich wieder zu, zwar bei weitem nicht so dramatisch wie am Vortag, aber wo die obere Seilbahnstation liegen soll konnte ich nur raten durch die dort versammelten Wolken. Was blieb mir anders übrig als spontan umzustellen, im Tal zu bleiben und die verbleibende trockene Zeit zu nutzen um den botanischen Garten zu besichtigen. Der ist zwar nicht besonders groß, aber schön angelegt, mit allen Pflanzenarten die in Ecuador so gedeien, an denen verschlungene Pfade vorbei führten. Während ich auf diesen wandelte, erreichten die diesmal nicht so bedrohlichen Wolken auch das Tal, aber die Schleußen öffneten erst als ich den Garten verlassen hatte und mit einem großen Becher Früchtemix in der Hand die Bushaltestelle erreichte. Der letzte verdammte Touri-Bus kam einfach nicht und das obwohl er in ganz Quito der einzige Bus ist der einen Fahrplan hat. Und dabei wurde es immer dunkler und dunkler. Erst dadurch stellte ich fest dass die Handrücken rot glühten und das Gefühl der auf Oberarmen und Gesicht sich immer mehr spannende Haut ließ erahnen dass es an den Stellen auch nicht anders aussieht. Ich glaubte sogar ein leises Zischen zu vernehmen, immer wenn ein Regentropfen die nicht von der Regenjacke, die ich ja diesmal dabei hatte, verdeckte Stelle traf. Hätte ich nur auch auf den zweiten Ratschlag des Reiseführers gehört, der was mit der Stärke der Sonnenstrahlung am Äquator und dem ununterbrochene Nutzen von Sonnencreme zu tun hatte.....
 
 
Ich geh dann jetzt mal mir noch paar Hautfetzen von der Ohrwascheln runterreisen und eine neue Schicht Sunafterburnercreme (net falsch verstehen!!!!) auftragen.
 
 
Nachtrag: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" - Am Arsch!!!!! Regenjacke und eine dicke Schicht Sonnencreme sind meine ständigen Begleiter.

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