Freitag, 31. Oktober 2014

Quitenische Kirchen



Heute kommen wir wie angekündigt, angedeutet oder angedroht auf die Gotteshäuser der Hauptstadt zu sprechen. Allein aufgrund der imensen Anzahl gibt es von diesem Thema kein Ausweg. Der Reiseführer empfielt den Besuch von 15 Kirchen in der kolonialen Altstadt, deren Ausdehnung nun wahrlich nicht so groß ist. Wie gesagt, es handelt sich um die Empfohlenen und bei weitem nicht die komplette Anzahl. Die Unzähligen aus der restlichen Metropole werden gar nicht erwähnt, auch wenn diese als Kontrapunkt zu ihren Urahnen sozusagen, zum Teil eine recht ausgefallene Architektur vorzuweisen haben.

Die Kirchendichte in der Altstadt ist so groß, dass sich z.B. die Iglesia El Sagrario direkt an die Kathedrale anschließt und mit dieser zu einem Sakralkomplex verschmilzt. Über die beiden kann ich nichts aus eigener Erfahrung berichten, da sie immer verschlossen waren als ich vorbei kam. Dafür über zwei, drei andere.


Básilica del Voto Nacional
 
Die wohl neueste und größte Kirche der Altstadt, ja sogar die größte neo-gothische Kirche des gesamten Kontinents, hat einige Besonderheiten aufzuweisen. Beim Namen fängt es an, der mit Basilika der Nationalen Abstimmung doch recht ungewöhnlich ist. Und das kam so: ein Pater, selbst Abgeordneter, hat dem Kongress vorgeschlagen ein Monument zur Konsekration Ecuadors zum Herzen Jesu zu errichten. Dies wurde in einer Abstimmung angenommen und ein Dekret erlassen - warum auch nicht, es gibt ja so wenige Kirchen in Quito. So beauftragte man kurz vor der vorletzen Jahrtausendwende einen französichen Architekten, der Grund warum sie wohl auch oft mit Notre Dame verglichen wird. Und kaum vergehen 100 Jahre, ist sie auch schon fertig, also beinah, auch wenn der vielreisende Pole-Paul sie bereits 1985 gesegnet hat und die Inauguration drei Jahre später stattfand. Mitlerweile hat sich hier so etwas wie ne Legende oder Sprichwort etabliert, dass wenn die Basilika je fertiggestellt sein sollte, dann ein großes Unglück passiert, ja manche sprechen sogar vom Ende der Welt. Selbst wenn das stimmt, mache ich mir da wenig Sorgen, wenn ich an den Kölner Dom oder an die Sagrada Familia denke.

Bereits von Außen sind einige Auffälligkeiten zu beobachten. In manche Steine sind Familiennamen reingehauen. Klar, denn bei einem so langen Zeitraum langt das von der Politik bewilligte Budget vorne und hinten nicht, also müssen auch Spender her. Und schließlich ist es ja auch eine nationale Aufgabe. Manche waren wohl großzügiger, denn einige Namen tauchen gleich auf zwei Steinen auf. Die Wasserspeier sind nicht nur phantasie- oder religiöse Figuren, sondern hier hat man auch auf die in Ecuador lebende Tiere zurückgegriffen: Krokodile, Iguanas, Delphine etc. Und die große Fensterrosette über dem Hauptportal ist nicht rund, wie so oft, sondern um an den Grund des Anlasses zu erinnern in Herzform.

Drinnen sind zwar wie üblich Statuen von Aposteln und Evangelisten, aber statt Heiligenbilder sieht man Bildern von Staatsmännern. Deren sterblichen Überreste befinden sich in einer Rumeshalle ein Stockwerk tiefer. Gegen einen Obullus von 2 Dollar kann man die Türme besteigen, erst über konfortable Steintreppen, dann über nicht mehr so konfortable, gußeisene Schneckentreppen. Aber nicht nur das, man kann über die gesamte Länge des Längsschiffes laufen und dann den Turm des Querschiffes besteigen, was sich recht abenteuerlich gestaltet, da die quasi Leitern super eng sind (weswegen keine amerikanische Touristen gesichtet wurden), mega steil und draußen, in luftiger, windiger Höhe verlaufen. Gott sei Dank haben sie einen beidseitigen Handlauf spendiert, in den sich die Hände bis zum weißen anlaufen der Fingerknöchel verbissen. Da waren die beiden Türme über dem Hauptportal schon bequemer. So bequem, das der Hauptstädler, ganz Geschäftsmann, in den Einen das höchstgelegene Café von Quito und in den Anderen ein Souvenirshop einbaute. In dem mit dem Café konnte man bis ganz oben hin aufsteigen. Neben den nicht funktionierenden Uhren gab es noch zwei Jugendliche zu bestaunen, die sich die luftige Lokation als Drehort für ihr selbstgemachtes Musikvideo ausgesucht haben. Dabei lag der Kameramann auf dem Rücken und der Darsteller tat so als würde er in Rage auf ihn einprügeln, während die dazugehörende Musik aus einem alten CD-Player, dessen Boxen schon ziemlich gelitten hatten, krächzte. Nach mehrmaliger Betrachtung der Aufnahme war man anscheints mit dem Ergebniss nicht zufrieden, den man wiederholte alles wieder und immer wieder. Nach dem vierten mal begann ich mit dem Abstieg.

Eines hatten alle drei Türme gemeinsam: die phantastische Aussicht. Von dem Hinteren in Richtung Berge und von den Vorderen über die Altstadt und dem dahinter gelegenen Panecillo.


Iglesia La Compania de Jesús
 
Wenn sich Reiseführer, Gastfamilie und krächzende Lautsprecherstimme im Touri-Bus einig sind, dann muss es sich wohl um die schönste Kirche in ganz Quito handeln, ja gar in ganz Hispano-Amerika. Kätzer würde sagen um die kitschigste. Die traute Einigkeit geht weiter dass es die Jesuiten waren und dass es sich um Barock handelt. Dann fangen die Meinungen an auseinander zu gehen. Der Reiseführer findet es handele sich um ein herausragendes Beispiel amerikanischen Barocks und will sogar mudjédar Stilelemente sehen (was nicht ganz abwägig ist), ein großes Plakat in der Kirche behauptet aber es sei augsburger Barock. Auf jeden Fall glitzert und funkelt es überall und man wird von dem vielen Gold erschlagen, zumal die Kirche im Vergleich auch recht niedrig ist. Es sind nicht nur die kunstvoll geschnitzen Ornamente vergoldet, sondern auch der Hintergrund, auf dem diese platziert sind. Die Decke, Säulen, die Wände bis zum Boden. Angeblich sollen seinerzeit zwei Tonnen des Edelmetalls verarbeitet worden sein. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten und der ein oder andere Schlaue ist auf die Idee gekommen es abkratzen zu wollen; deswegen patroulliert fleißig Security die Gänge entlang.

Sowohl im Kirchenschiff, in der Sakristei und in drei Räumen hinter der Kirche gibt es Gemälde der Escuela Quitena zu bewundern - so langsam rechtfertigen sich die vier Dollar Eintritt. Diese Malschule wurde auch von den Jesuiten ins Leben gerufen. Die schlauen Ordensbrüder haben sich gedacht, warum teuere Gemälde aus Deutschland anschaffen. Wir schnappen uns die talentierten Eingeborene, bilden sie am Pinsel aus und lassen sie Kopien anfertigen, nach den Drucken und Stichen der augsburger Originale. Diese Vorgehensweise ging später als die chinesische Methode in die Geschichtsbücher ein und wurde oft kopiert (!!!). Auf jeden Fall sind die Ausstellungsräume gut gemacht, da man vor jedem Bild in klein das Vorbild sehen kann und damit auch die Unterschiede. Man stellt fest dass es sich nicht um 1:1 Kopien handelt. Das Original ist zwar noch eindeutig zu erkennen, aber die quitenische Varianten sind farbenfroher, manche würden sagen naiver und man hat in den Details Lokalkolorit reingebracht (Indios, für Europäer exotische Tiere etc.). Und ich meine zwei Vorlieben der Südamerikaner ausgemacht zu haben: sind die Drucke meistens in Hochformat, so sind die Gemälde fast alle im Querformat und sind im Original ein, zwei Putten, dann tauchen in der Kopie ganze Heerscharen davon auf - anscheints steht man hier auf pausbäckige, übergewichtige Kinder.



Iglesia de San Francisco
 
Diese Kirche muss ich schon allein aus Gerechtigkeitsgründen mit aufführen, denn wenn ich jetzt so oft die Jesuiten erwähnt habe, dann sollen die Franziskaner nicht zu kurz kommen; wahrscheinlich aber auch weil mir jetzt ein schönes, kühles Franziskaner ganz gut schmecken würde. Und weil die Kirche aus den Steinen eines Inkapalastes errichtet wurde, der vorher an gleiche Stelle zerstört wurde. Und weil sie wegen Erdbeben und Brände unterschiedliche, wild gemixte Stile aufweißt. Und weil mitten im Altar die beflügelte Maria tänzelt, Vorbild für ihr überdimensionales Ebenbild auf dem Panecillo. Und weil sich unter der Kirche, mit Zugang von dem davorliegenden großen Platz, ein Restaurant befindet, das auch Cerveza artesenal verkauft, also kein "Industriebier", sondern ungefiltertes, von einer ganz kleinen Brauerei; aber dies ist nichts besonderes in Quito. Also das mit dem besonderen Bier schon, aber dass man unmittlerbar unter der Kirche dem Komerze nachgeht. Unter der hier Ersterwähnten befinden sich ca. 10 kleine Läden die von Knabbereien bis Installationsrohre alles verkaufen und unter der Kathedrale sind vier Minicafés.

Zur Kirche gehören auch noch zwei Kapellen und das Franziskanerkloster. Beides konnte ich nicht besichtigen, da das Kloster sonntags um die Mittagszeit geschlossen wird und die Kapellen am gleichen Tag um vier geöffnet werden sollten, was aber nicht geschach. Sollte es noch dazu kommen, werde ich den Bericht selbstverständlich nachreichen, da ich ja weiss wie heiß ihr auf klerikale News seid.



La Capilla del Hombre

Abschließen möchte ich diesen Post mit einer besonderen Kapelle. Sie, insbesondere der "Inhalt" stammt von Oswaldo Guayasimin, der als der wichtigste Künstler Ecuadors gilt und ist der Menschheit gewidmet. Sinngemäß hat er gesagt: wenn wir Kirchen für Götter bauen von denen wir nicht wissen ob sie existieren, wenn wir Kirchen Heiligen widmen, von denen wir nicht wissen ob sie heilig waren, warum errichten wir keine Kirchen zu Ehren der Menschen, die seit Jahrtausenden die Erde/auf Erden - an das Verb erinnere ich mich leider nicht mehr genau.

So werden auf überdimensionalen Gemälden mit zum Teil 10m Länge und 4m Höhe die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung des gesamten Kontinents angeprangert, die Versklawung von Afrikanern, aber auch die Greultaten der Militärjuntas Anfang der 70er; er war z.B. mit Allende und Neruda befreundet.

Wer Lust hat mal reinzuschauen, die Homepage ist sehr gut gemacht und man kann auch einen virtuellen Rundgang begehen:


http://www.capilladelhombre.com/index.html

 
Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt dass, man gleich daneben auch das mehr als großzügige Wohnhaus des Maestros besuchen kann, das genau so belassen wurde wie er es verlassen hatte, als er seine Reise in die USA antrat, wo er an einem Herzinfarkt starb. Leider nur mit einem Guide, der es immer ziemlich eilig hat. So kann man gar nicht richtig die Atmosphäre und die vielzähligen Ausstellungsstücke genießen: neben den eigenen Werken auch präkolumbianische Keramiken, Kolonialobjekte aller Art und im Atellier Photos von Persönlichkeiten die ihn besucht haben, aus der Politik (z.B. Mitterand, Castro), aus der Bunte (z.B. Caroline von Monaco) oder Künstler (z.B. Paco de Lucia).

Geht man am Weinkeller und an dem Grill von der Größe einer Tischtennisplatte vorbei, kommt man in den schön angelegten Garten, mit Pool, Skulpturen und einem herrlichen Blick über Quito. Hier ist die Asche Guayasamins unter dem Baum des Lebens begragen.

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Quitenisches Wetter


Freunde, in Reiseführern steht manchmal der ein oder andere Schmarrn drin. Aber eben oft auch nicht. Und deswegen sollte man zwar abwegen, aber Tips und Warnungen durchaus ernst nehmen.

An meinem ersten Tag, dem Freitag, hatte ich mir vorgenommen die Innenstadt, in der auch mein Hostal lag, zu erkunden. Diese besteht aus touristischer Sicht grob gesagt aus zwei Teilen: die koloniale Altstadt für tagsüber und in dem neuen Teil das Ausgehviertel La Mariscal für abends. Nach dem Frühstück hat mir der Blick von der Terasse des Hostals verraten dass der Himmel strahlend blau ist, ohne ein einziges Wölkchen und das bei angenehmen 22 bis 24 Grad. Da ich aber von meiner Ankunft in der Nacht zuvor noch wusste dass es dann irgendwann verdammt schattig verden kann, hab ich mir auch einen Pulli in mein Rucksack gestopft. Danach marschierte ich fröhlich drauf los, denn ich bin der Meinung dass sich eine Stadt immer noch zu Fuß am besten erkunden lässt. Bedenkt man die vielen Sehenswürdigkeiten, gab es doch etwas an Strecke zu bewältigen und da es am ersten Tag mehr darum ging sich einen Überblick zu verschaffen, hatte ich beschlossen zwar schon bei den meisten empfohlenen Punkten vorbeizugehen, aber in keine der gefühlten 1.000 Kirchen reinzugehen (auf die Kirchen kommen wir noch zu sprechen, den eine solche Anzahl schreit nach einem eigenen Post), in keines der Museen etc. Von Cafes war aber nicht die Rede. Genau ein solches steuerte ich nach knapp zwei Stunden laufen an, auf der Plaza Grande, gegenüber dem Präsidentenpalast, denn das viele Hügel auf und ab machte mir Durst und die Höhenluft scheint auch schneller meine Blase zusammenzudrücken. Während Kaffee und Mineralswasser langsam bereits erwähntes Organ wieder füllten, konnte ich dem bunten Treiben auf dem Platze zuschauen. Neben Herrscharen von Schuhputzern, Eis-, Handwerkskunst- und Zeitungsverkäufern, waren die Schüler einer Militärschule am auffälligsten, die obwohl sehr jung, mit großem Stolz ihre Ausgehuniformen trugen und dabei doch wie Kinder es eben tun rumalberten.
Anschliesend war das südliche Ende der Altstadt mein Ziel, denn dort ist die Calle Ronda und die soll noch kolonialer sein, als es die koloniale Altstadt ohnehin schon ist. Den Eingang zu dieser Straße bildet die Kreuzung mit einer sehr, sehr breiten Avenida. Als mich die enge Schlucht der Adobe Häuser aus ihrer Umklammerung freigab und ich auf diese Avenida trat dürften sich meine Augen etwas geweitet haben. Über dem Kessel der Altstadt war zwar noch immer strahlend blauer Himmel, aber die Spitzen der umgebenden Hügel (wobei Hügel in dem Zusammenhang leicht untertrieben ist; da Quito als höchste Landeshauptstadt der Welt auf 2.800m liegt, kann man ruhig von Bergen sprechen) schon von Wolken aufgefressen waren, es heftig Blitzte und sich der Schleier des dichten Regens rasant näherte. Ich habe es gerade so noch unter eine ca. 5m breite Steinbrücke geschafft und dann ging es schon los. Es war einer der kräftigsten Regenschauer die ich je erlebt habe, der nicht nur von noch kräftigerem Hagel begleitet wurde, sondern auch von einer Kältefront, die die 24 Grad auf ein Drittel schrumpfen liesen. Da der böhige Wind Regen und Hagel unter die Brücke trieb und somit die 5m Trockenheit nach und nach reduzierte, rückten alle Anwesenden näher zusammen. Eine Angestellte der Stadt die auf ihrem Handwagen Karton sammelte, paar kiffende Jugendliche, ein Parkplatzzuweiser, ein Pärchen das gerade mit ihrem Hund spazieren war. Letztere waren die einzigen denen das Wetter wohl nichts ausmachte, denn sie betrieben weiterhin intensiven Speichelaustausch. Ein völlig durchnässter streunender Hund gesellte sich auch dazu und da versuchte sein angeleinter Artgenosse es seinen Herrchen gleich zu tun. Dies gefiel dem Streuner gar nicht. Irgendwas störte ihn so sehr, dass er sogar bereit war weiterzuziehen und das trockene Plätzchen aufzugeben. Als er das versuchte, schlugen ihm die niederprasselnden Hagelkörner kräftig auf die Schnautze, so dass er erstmal verdutzt für paar Schritte den Rückwärtsgang einlegte. Der Schock war aber schnell verdaut und er zog seines Weges in das kalte Nass. Aber nicht laufend, ja noch nicht mal schnell gehend, sondern langsam und bei erhobenem Haupt mit einem gewissen Stolz. Ich hätte ja gern seinem Beispiel gefolgt, aber meine Regenjacke lag im Hostal. Dabei wäre dies der ideale Härtetest für das neue Teil gewesen. Tja, ja, hätte ich nur auf den Rat des Reiseführers gehorcht: in Quito erlebt man an jedem Tag drei Jahreszeiten (also außer den Teil mit dem Schnee). Oder wie der Quiteno sagt: "el tiempo es como las mujeres!".
Seit dann geh ich nicht mehr aus dem Haus ohne Regenjacke.

So auch nicht an dem darauffolgenden Samstag, zumal es von Anfang an bewölkt war, wenn es auch keine Regenwolken waren. Diesmal war den Plan ein anderer. Ich gönnte mir für 12 Dollar die Fahrt mit einem dem roten Doppeldeckerbusse. Eigentlich nur aus zwei Gründen, den ansonsten fuhr er hauptsächlich vom Vortag bekannte Punkte an. Zum Einen fuhr er den Panecillo hoch, einen der Haushügel im Süden der Stadt und zum Zweiten war eine der Haltestellen die Talstation der Drahseilbahn die auf einen 4050m hohen Felsvorsprung des knapp 4700m hohen Rucu Pichincha führt, von wo aus man nicht nur einen tollen Blick über die Stadt haben soll, sondern auch auf die gar nicht so weit gelegenen 6000er.
Da die Sonne dank der Wolkendecke nicht runterknallte, setzte ich mich frohen Mutes auf das offene Oberdeck, auch wenn es mir nicht ganz gefiel dass die Schleife nach meinem Gusto verkehrtherum gefahren wurde, also erst auf den Panecillo und dann erst zur Drahtseilbahn. Ich tröstete mich mit dem Gedanken dass es wohl doch besser ist erst auf den Hügel zu kommen und dann auf den Berg. Nach dem wir ca. 1 Stunde benötigten um die Altstadt mit ihrem Einbahnstraßenrechtsvorlinksverkehrschaosstau zu durchqueren (zu Fuß wäre es weniger als die Hälfte der Zeit gewesen), nahm der Bus schwer schnaufend den Panecillo in Angriff. Jetzt wurde mir auch klar warum Reiseführer und die Leute im Hostal davon abgeraten haben den Hügel allein und auf die herkömmliche Art zu besteigen, denn dieses Viertel war zwar noch entfernt aber doch auf dem besten Weg das zu werden was man in Brasilien als Favella bezeichnet. Mit jeder Radumdrehung mit der wir uns dem etwas verunglückten Engel der auf der Spitze tronte näherten wurde die Sicht immer beeindruckender. Klar das sowohl die Inkas als auch später die Spanier diesen Ort als strategische Anhöhe nutzten. Als wir ihn erreichten, kündigten die krächzenden Lautsprecher eine zwanzig minütige Pause an, wörtlich als Photo- und Pinkelpause bzw. zum Besichtigen und Besteigen des 41 metrigen Werk eines italiänischen Künstlers.
Am Fuße eben dieses Engels stand, wie könnte es anders sein, denn Klischees müssen bedient werden, ein Indio mit seiner Panflöte und gab Folklore der kitschigstens Sorte zum Besten. Jedoch erfolgte wie aus dem Nichts ein harter Paradigmenwechsel, bei dem ich schier zusammengebrochen bin. Auf einmal spielt der gute Mann mit viel Euphorie und noch mehr Pathos "Griechischer Wein". Was im ersten Moment befremdlich erscheint, macht aber durchaus Sinn. Ich reime mir das so zusammen: vorfolgt man aufmerksam die Nachrichten, dann stellt man fest dass, wenn irgendwo auf der Welt, und sei die Ecke noch so entfernt, ja gar nahe des Abdomen selbiger, eine Katastrophe passiert, ein Flugzeugabsturz, ein Erdbeben oder sonstwas, ein paar Deutsche derwischt es immer. Und eben dieses Wissen hat sich der schlaue Eingeborene zu Nutze gemacht: sobald der Touri-Bus auf dem Hügel erscheint, ein paar Deutsche werden schon dabei sein. Also puste was die Lungen hergeben ein deutsches Lied. Gut, "Griechischer Wein" ist von einem Österreicher, aber die Geschichte lehrt uns dass man das nicht sooooo genau trennen muss.
Nach dem ich genug in die Weite gestarrt hatte, schlenderte ich noch an paar Artesenalzeugsständen vorbei und schon war die Pause rum. Also wieder den Hügel hinab, durch die Altstadt kriechen und dann endlich Richtung Seilbahntalstation. In der dafür benötigten Stunde kam es wie es kommen musste, schließlich war es Nachmittag. Und jetzt wusste ich warum mein Bauch, trotz reichlicher Füllung mit einem venezoelanischen Frühstück, noch die Kraft fand mit das Gefühl zu geben dass es besser wäre erst zur Talstation zu fahren. Es zog sich wieder zu, zwar bei weitem nicht so dramatisch wie am Vortag, aber wo die obere Seilbahnstation liegen soll konnte ich nur raten durch die dort versammelten Wolken. Was blieb mir anders übrig als spontan umzustellen, im Tal zu bleiben und die verbleibende trockene Zeit zu nutzen um den botanischen Garten zu besichtigen. Der ist zwar nicht besonders groß, aber schön angelegt, mit allen Pflanzenarten die in Ecuador so gedeien, an denen verschlungene Pfade vorbei führten. Während ich auf diesen wandelte, erreichten die diesmal nicht so bedrohlichen Wolken auch das Tal, aber die Schleußen öffneten erst als ich den Garten verlassen hatte und mit einem großen Becher Früchtemix in der Hand die Bushaltestelle erreichte. Der letzte verdammte Touri-Bus kam einfach nicht und das obwohl er in ganz Quito der einzige Bus ist der einen Fahrplan hat. Und dabei wurde es immer dunkler und dunkler. Erst dadurch stellte ich fest dass die Handrücken rot glühten und das Gefühl der auf Oberarmen und Gesicht sich immer mehr spannende Haut ließ erahnen dass es an den Stellen auch nicht anders aussieht. Ich glaubte sogar ein leises Zischen zu vernehmen, immer wenn ein Regentropfen die nicht von der Regenjacke, die ich ja diesmal dabei hatte, verdeckte Stelle traf. Hätte ich nur auch auf den zweiten Ratschlag des Reiseführers gehört, der was mit der Stärke der Sonnenstrahlung am Äquator und dem ununterbrochene Nutzen von Sonnencreme zu tun hatte.....
 
 
Ich geh dann jetzt mal mir noch paar Hautfetzen von der Ohrwascheln runterreisen und eine neue Schicht Sunafterburnercreme (net falsch verstehen!!!!) auftragen.
 
 
Nachtrag: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" - Am Arsch!!!!! Regenjacke und eine dicke Schicht Sonnencreme sind meine ständigen Begleiter.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Prolog - Teil 2

"Schau't her ... Ich bin's.
Doch nah' ich ganz ernsthaft
Und grüsse Euch, werte Herren und Frauen
Heut' als - Prologus!
"
So lässt Leoncavallo seinen Il Pagliacci beginnen. Und dann nimmt das Drama ihren Lauf. Na hoffentlich gilt dies nicht auch für diese Reise. Für diesen Blog allerdings kann ich es nicht garantieren. Allein der Zusatz Teil 2 im Titel sollte euch skeptisch stimmen. Cineastische Erfahrungen diesbezüglich lassen nichts gutes erahnen.

Nehmen wir doch z.B. unser nürnberger Mädel, die Bullock's Sandra. Was war doch Speed für ein guter Film. Und dann meint sie einen Teil 2 drehen zu müssen. Keanu Reeves hatte wohl den besseren Berater und hat gleich die Finger von gelassen. Gut, sie hat es auch schon geschafft mit Teil 1 und Teil 2 zu floppen und zwar mit Miss Undercover, den sogar so Fernsehzeitschriften wie TV Today, die sonst jeden Mist hochloben, nicht besonders gut bewertet haben. Man muss aber unserer Sandra B. auch zu gute halten dass sie später doch noch reussierte und sogar einen Oscar abgestaubt hat.
Sylvester Stallone hat es gleich zwei mal geschafft einen guten ersten Teil hinzulegen und dann gleich mehrere schlechte sequels. Rocky war damals, zu seiner Zeit, einzigartig. Was danach kam, waren nur Variationen auf dem gleichen Thema, Underdog mal gegen den arivierten, reichen Kollegen, mal gegen den Klassenfeind. Und was viele vergessen ist, dass auch Rambo ein sehr guter Antikriegsfilm war, der so gar nichts mit den daraufvolgenden Teilen zu tun hat. Auch Sly hatte dann noch seinen hellen Moment in Cop Land. Allerdings wird jetzt kaum noch viel kommen. Ich meine wie will man nach so vielen Schönheitsoperationen, mit nur einem Gesichtsausdruck, eine gute schauspielerische Leistung bringen.
Aber genug der Ausflüge in die Welt des Films, sonst muss ich mich auch noch über den Lucas Schorsch auslassen, der uns nach furiosem Anfang gezeigt hat wie paar Teddybären mit Steinschleuder, Pfeil und Bogen eine hochtechnisierte Armee mit Laserwaffen besiegt.

Insbesondere neue Leser werden sich fragen wann der Autor auf den Punkt kommt und ob er nicht das Thema verfehlt. Man kann mir aber nicht vorwerfen dass ich nicht am Anfang gewarnt hätte. Da der Einwand des werten Lesers jedoch nicht ganz von der Hand zu weisen ist, komme ich nun auf das Thema Ecuador zu sprechen. Beinah!!! Ach wie gern hätte ich mir diesmal ein Kapitel das auch nur im entferntesten das Wort Flu(ch)g enthält erspart, ich komme aber nicht drum rum paar Anmerkungen zu unseren Freunden unter dem Kranich zu machen. Sollte ich seiner Zeit unseren französischen Nachbarn und ihrer Fluggesellschaft unrecht getan haben? Verklären sich jene Ereignisse gar in der Erinnerung? Nein! Der Flug nach Dubai in diesem Frühjahr zeigt dass es auch anders geht. Aber nicht bei der Lusthansa.
Als erstes war ich mal geschockt wie hart und vor allem eng Flugzeugsitze sein können. Dabei war mir das Glück sogar noch hold, den ich hatte mir beim Onlinecheckin ein Sitz am Gang reserviert und meine Sitznachbarin, eine schweigsame, haarezählende Anfang Zwanzigjährige mit der Figur einer Vierzehnjährigen war so zierlich, um nicht zu sagen dünn, und biegsam, dass sie sich bisweilen quer in den Sitz flätzen konnte. Allerdings waren ihre Bewegungen beim Wechsel der Position schwer unkontrolliert, was ich durch ihre spitzen Ellenbogen, Knie und richtig schneidige Restextremitäten zu spüren bekam.
Das Essen war dann wirklich mieß. Und das sagt einer der so gut wie alles in sich reinstopft.
Auf jeden Fall scheint man ein größeres Kontingent Schokolade ergattert zu haben, den es gab als Nachtisch einenSchokobrownie und oben drauf noch einen übergroßen Schokotaler auf dem das Emblem der Gesellschaft tronte. Gar übervorfreudig stellte ich dann aus der Entfernung fest, dass sich mir auf dem Kaffeewagen zwei Flaschen klirrend näherten. Gut so, Essen und Schokogeschmack nicht nur runterspülen, sondern wegbrennen. Meine idealistische Anfrage "Cognac, bitte" wurde mit einem milden, nichts gutes verheißendem Lächelnd und dem Wort "Chantré" beantwortet.......
Das Beste war aber das kurz vor der Landung servierte Abendessen. Nach dem ich beim Mittagessen großzügig auf das angebotene Rindfleisch verzichtete und mich für Pasta entschied, schließlich konnte ich nur enttäuscht werden, den ich hatte zwei Abende davor zwei ordentliche Steaks kredenzt bekommen, dachte ich dass ich jetzt doch das leichte Hühnchen testen könnte. Obwohl ich recht weit vorne saß, war bei mir dann Chicken schon aus. Man setzte mir vollmundig hausgemachte Spätzle vor. Doch etwas überrascht musste ich nach dem Abziehen der schon fast rot glühenden Alufolie feststellen das die Spätzle wohl durch die hohe Strahlung die in 10.000m herrscht zu spirelliartige Macaroni mutiert sind. Der Analogkäse und der noch analogere Zwiebelschmelz waren aber spätzlemäßig.
Der Protest der Schwaben an Bord wurde unblutig niedergeschlagen.
Ja von wem eigentlich? Es war wie immer auf Langstreckenflügen. Die Chefstewardess war, ähhh, na ja, was kann man über sie sagen? Sie lebte noch. Glaub ich. Ihre Dritten (Vierten? Fünften?) kamen etwas ins klappern als wir keine viertel Stunde nach dem Start in super schwere Turbulenzen gerieten und sie des öfteren versichern musste dass das Flugzeug es aushält und für solche Situationen ausgelegt sei. Immerhin trug sie auf der ehemals stolz geschwellten Brust (jetzt tendierte sie eher in die Richtung woher der Flieger abgehoben ist) das Abzeichen in Gold "Hindenburg, ich war dabei!". Wo? Auf dem Luftschiff? Dem Politiker? Man weiß es nicht. Paar schön anzusehende junge Hüpfer waren auch dabei. Und natürlich die beiden Quotenstewards. Beide brummten so laut, dass ich schon dachte der Pilot fährt vor lauter Langeweile das Fahrwerk immer ein und aus. Aber nett und zuvorkommend waren's scho.
Und um gleich nochwas positives hinterherzuschieben: die Auswahl der Filme war gut. So halfen mir also Leo, Matt, Tom, Jack & Co. die Zeit zu überbrücken.

Als dann noch, wahrscheinlich dank der späten Stunde, die Imigracion recht flott erledigt war und sogar der Abholdienst des Hostals hinter der sich zurückziehenden Glastür zum Vorschein kam, war die Welt wieder in Ordnung.

Wie ich dann die ersten Tage in Quito verbrachte - nach der Werbung.