Freitag, 11. Februar 2011

Wochenendimpresionen Reloaded

Ich glaub es nicht. Da gehe ich seelenruhig die Straße entlang und auf ein mal spür ich doch tatsächlich ein Wassertropfen auf meinem Arm. Das wird doch nicht anfangen zu tröpfeln? Zum ersten Mal nach mehr als vier Wochen? Ah, ne. War nur eine Klimaanlage die tropft. Wäre ja auch etwas verwunderlich, wenn es bei diesem strahlend blauen Himmel anfangen würde zu Regnen.

La Chascona. Pablo Nerudas Stadthaus. Eigentlich sind es drei voneinander unabhängige Gebäude, die sich an einem kleinen Hang verteilen und untereinander durch schmale, gar nicht mal so unsteile Treppen verbunden sind. Anfangs gab es nur eines der Gebäude, da er es als geheimes Liebesnest für seine Geliebte Matilde Urrutia bauen lies. Nach seiner Scheidung ist er dort eingezogen und so wurde das Anwesen erweitert. Neruda liebte das Meer über alles und so ist die Architektur auch an das kühle Nass angelehnt. Die Decken sind niedrig (obwohl er ein recht großer Mann war) und abgerundet, so dass man das Gefühl hat im Bauch eines Schiffes zu sein; eines der Gebäude sieht aus wie ein Leuchtturm und bot zur damaligen Zeit einen herrlichen Blick über die Stadt bis hin zu den Anden - heutzutage stellen sich stoisch ein paar Wolkenkratzer in den Weg. Und natürlich besitzt jedes der drei Bauten, obwohl sie nicht besonders groß sind, eine eigene Bar. Alles ist vollgestopft mit Andenken (Nobelpreis, Mitbringsel von verschiedensten Reisen rund um den Globus), Kunstwerke (z.B. das Bild von Diego Riviera zeigt Matilde = die Ungekämmte = La Chascona mit zwei Gesichtern und in dem roten, wallenden Haar erkennt man andeutungsweise Nerudas Umrisse) und Photos mit Freunden (z.B. Picasso). An einer Außenwand ist eine Dankesgedenktafel der tschechischen Regierung angebracht, da man lange Zeit annahm dass der Dichter sich den Künstlername Neruda gab (um der Züchtigung des Vaters zu entkommen, der es natürlich nicht lustig gefunden hätte dass der Bub einem so unehrbaren Beruf wie Künstler nachgeht), in Anlehnung an den tschechischen Dichter Jan Neruda, dessen patriotische Gedichte er sehr schätzte. Heute ist man sich sicher dass er die Partitur der Spanischen Tänze von Pablo de Sarasate gesehen hatte, mit der Widmung an die Violonistin Wilma Norma-Neruda. Na was für ein Glück dass sie auch Tschechin war!! Im übrigen, der Grund warum es die Bächlein nicht mehr gibt, ist weil Neruda wenige Tage nach dem Putsch von 73 gestorben ist, an seinem Krebsleiden - nicht wenige sagen an gebrochenem Herzen - und da er ein Freund Allendes war, hat das Militär das Haus verwüstet. Durch die Berühmtheit des Poeten sind viele ausländische Kamerateams ins Land gestürmt und so war das Verbieten einer öffentlichen Trauerfeierlichkeit unmöglich geworden. Und so wurde der Sarg zwischen zwei Reihen von Soldaten durch Santiago getragen, während ein Vorrufer ohne Unterbrechung "Camarada Pablo Neruda!" rief und die Menge mit "Presente!" antwortete und nach jedem dritten mal mit "Presente, ahora y siempre!". Abwechselnd wurden auch die Namen von Allende und Jara gerufen. Es sollte für lange Zeit die letzte demokratischen Kundgebung bleiben.
Matilde lies später das Haus wieder herrichten und hat dort bis zu ihrem Tode gelebt.

Heute habe ich Lust auf ein ordentliches Stück Fleisch. Und Hunger hab ich auch. Nein, kleines Spässchen, natürlich spreche ich von Steaks. Auf Empfehlung gehen wir in einen Laden in Bellavista, der auf den ersten Eindruck recht nobel, sprich teuer, aussieht: schwere, weiße Tischdecken, blankpolierte Gläser für die verschiedenen Getränke, Kellner in weiss und schwarz. Die Preise auf der Karte sprechen da zum Glück was anderes. Ein eineindeutiger Indiz dafür ist immer der Preis des Pisco Sour, dem Nationalaperitiv schlechthin und der kostet hier nur die Hälfte im Vergleich zu sonstigen Läden, die einem dann nur unterdurchschnittliches Mittelmaß servieren. Die Preise der Steaks sind auch erfreulich. Größe und Geschmack ebenfalls. Das Schmatzen und die zufriedenen Gesichter meiner Tischnachbarn bestätigen dies. Da auch der Wein nicht enttäuscht, kann man von einer guten Empfehlung sprechen. Wir rollen uns in eine der unzähligen Bars hier in Bellavista um auf einen Deutschen zu warten, den man aus der Sprachschule kennt. Er erscheint auch, hat die Tochter seiner Vermieterin dabei und diese noch eine Horde Freundinen im Schlepptau. Sind alle anfang Zwanzig, dafür nicht besonder hübsch. Bestimmte Körperpartien entschädigen. Z.B. die Augen und die sicherlich makellose Seele. Zu später Stunde landen wir in einem Karaoke-Laden und lassen uns von südamerikanischen, zum Kitsch tendierende Rhythmen berieseln. Den Mädels gefällts und sie wippen.

Museo der Arte Precolombino. Nett gemacht. Vor allem die Abdeckung aller precolumbusschen Völker aus ganz Lateinamerika beeindruckt. Da es sich aber hauptsächlich auf Gefässe beschränkt, ist es dann nach dem tausendstent Topf auch irgendwann mal gut. Drum ist es mir ein kleines Rätsel warum es der Lonely Planet als das beste Museum in Santiago anpreist. Was aus der Sammlung herussticht, sind ein paar Spachteln mit denen die Eingeborenen sich psychedelisches Zeug in den Schädel gepfiffen haben. Angeblich nur die Schamanen. Aber wer will heute noch wissen ob nicht z.B. auch die "Großer Bär"-Gang (quasi die Urahnen des Escobar-Kartells) davon Gebrauch gemacht hat, wenn nicht sogar regen Handel betrieb?

Sonntag. Später Nachmittag. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Fleißige Leser dieses Blogs wissen wo man sich da aufhält. Diesmal ist der Nebentisch frei, es erscheinen auch keine angedüdelte Chilenen, sondern zwei großgewachsene Australier. Meine Frage woher sie den sind ist rein rhetorisch, denn die rotblonden Harre, die kurzen Hosen mit Seitentaschen und die kaki Buschhemden mit Epauletten schreien es förmlich heraus. Sie arbeiten für eine Werbeproduktionsfirma und diese hat sich so weit von der Heimat herverlagert, weil es angeblich kein anderes Land gibt, in dem man zwischen relativ kurzen Entfernungen die trockenste Wüste der Erde, das fruchtbare Tal Valle Central, das satte Grün des Südens und die eisige Kälte des ganz-im-südens hat. Bzw. quergelesen, zwischen den schneebedeckten Spitzen der Anden und dem Meer keine 200km. Zum Schluss tauscht man freundlich Handynummern aus und verspricht sich mal auf ein Bier zu treffen.

Auch heute möchte ich mit einer Filmempfehlung enden: Der Postman (Il Postino), eine fiktive Geschichte um Neruda. Allein schon wegen der grandiose Leistung von Philippe Noiret, in einer seiner letzten Rollen (oder gar die Letzte?), würde es sich lohnen den Film anzuschauen.

Keine Kommentare: