Mittwoch, 2. Februar 2011

Antonyme


Dienstag. 19:00. Nach dem ich mich etwas mehr über die Geschichte von Nuestra Casa informiert habe und mit dem ein oder anderen Bewohner plauderte, die nach und nach von ihren Arbeitsstellen eintrudeln, beginnen wir mit den Vorbereitungen der Essensaustragung. Der Koch rührt kräftig einen riesen Eintopf um, dessen Hauptingredienzien Linsen und Reis sind. Er war auch mal ein Bewohner, der es geschafft hat. Ein Freiwilliger aus dem Viertel und ich sind dabei einen 30 Liter Thermobehälter mit Tee vorzubereiten, während uns drei kleine Kätzchen zwischen den Füßen umhertappen. Da er Chilene ist und hier alles super süss ist, kippt er Unmengen von Zucker rein (selbst wenn man sich an einem der Kioske einen frisch gepressten Fruchtsaft gönnt, muss man mit dem "sin azucar, por favor" recht fix sein, sonst hat man ruck zuck drei große Esslöffel im Getränk; die Verhinderung dessen bringt einem Unverständnis äußernde Blicke ein - tsss, Touristen). Wie aus dem Nichts erscheint eine Familie, die ebenfalls in dem Viertel wohnt, mit ihrer ganzen Horde von Kindern, die frohen Mutes sind und willens mitzuhelfen. Die Kleinste ist gerade mal fünf und wie es sich später rausstellen sollte, eine der aktivsten. Als der Koch mal nicht aufpasst, weil er zum Telefon geht, wird schnell etwas Mehl in den Eintopf gekippt, zum Eindicken; und auch noch paar Gewürzwürfel, um dem Ganzen mehr Geschmack zu verleihen. Dann geht es auch schon los, jeder schnappt sich was: einen der zwei Hocker, den Behälter mit Geschirr, die Tüte mit Brot, das Teefäschen und zwei den Megaeintopf (unterwegs müssen sie ständig die Hände wechseln). Es geht fünf Blocks weiter, vor ein Krankenhaus. Die Stelle ist deswegen gewählt worden, weil sich im Winter viele um das Gebäude scharen, um etwas von der Wärme der Abluft abzubekommen. Schon aus der Ferne wird unsere kleine Prozession erblickt und sofort bildet sich eine Schlange. Es sind alle Altersgruppen vertreten: Alte mit desilusionierten Blicken, Junge mit verschwommen Blicken (weil zugedröhnt), ein Pärchen, ein Mann mit seiner alten Mutter, schweigsam Insichgekehrte, welche die einem offen anblicken und paar Worte wechseln wollen. Einer der Mithelfer will seine Schwester einem kleinen, kautzigen Mann für 20.000 Pesos (ca. 33 Euro) verkaufen. Der meint, er hätte schon lange nicht mehr so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Dann bietet ersterer einen Tausch an, gegen den Plastiksack in dem sich der ganze Hab und Gut des Mannes befindet. Er lehnt ab. Was mir im ersten Moment als etwas befremdlicher Scherz erscheint, stellt sich als normaler Umgang raus. Man kennt sich und flunkert. Das herzliche Lachen aller Beteiligten bestätigt dies. Die Helfer sind überrascht dass trotz Sommer heute so viele Leute da sind. Als erstes gehen Teller und Besteck aus. Nach dem dies schnell provisorisch abgespühlt ist, sind nach kurzer Zeit auch Eintopf und Tee aus. Ein paar Nachzügler bekommen leider nichts mehr ab. Alle bedanken sich und gehen ihres Weges, wahrscheinlich um eine Schlafstätte zu suchen.

Dienstag. Kurz nach 23:00. Ich komme zu Hause an. Auf der Terasse vergnügen sich ca. 50 Leute bei elektronischer Musik. Der Hausherr und sein Nachbar schmeißen eine Abschiedsparty, obwohl sie für nur zwei Wochen in Urlaub fliegen. Eine Bedienung reicht Sushi und kühle Getränke. Später gibt es Torte. Ich dusche und geselle mich dazu.

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