Donnerstag, 17. Februar 2011

Erster Weinbericht

Bevor ich aber damit beginne, muss ich noch folgendes sagen: ich hätte die ersten paar Zeilen meines letzten Posts nicht schreiben sollen. Offensichtlich habe ich damit den Zorn von La Nina (stellt euch über dem zweiten n eine Tilde vor) geweckt. Die war so am friedlich von Süden nach Norden daherströmen, immer schön entlang der chilenischen Küste, jedoch in sicherer Entfernung. Und dann regte sie sich auf: "Wie, du behauptest, ich könnte es in Santiago im Sommer nicht regnen lassen?!" So kam es dass am Abend des letzten Mittwochs tiefdunkle Wolken über der Stadt hingen und das volle Program, mit Gebrummel und Blitzen boten. Gut, das waren erst mal Drohgebärden, den weiter passierte nichts und sie zogen weiter. Aber am nächsten Morgen waren deren kleinen Brüder da: weit weniger bedrohlich, leichtes Grau, dafür um so inkontinenter. Erstmal ist es positiv, den der Regen reinigte die Luft. Was aber schlimm war: die Tante hat Polarluft mitgeschickt, die sie sonst immer brav vorbeigeschläust hat. So kam es dass ich zum ersten Mal seit ich hier bin, tagsüber lange Hosen angezogen habe; vorher wäre es temperaturtechnisch auch Abends nicht nötig gewesen. Die Eingeborenen haben mir versichert dass dies für einen Sommer völlig unüblich sei und sie sollten Recht behalten, denn nach zwei Tagen war der Spuck vorbei. Die alten Temperaturen und der altbekannte blaue Himmel waren wieder da. Aber bitte Senora La Nina, nicht missverstehen. Ich habe es eingesehen und nach dem elften April dürfen Sie sowieso walten wie Sie es gern hätten.

Der erste Besuch eines Weingutes war bereits während eines sonnigen Nachmittages zur Zeit des Spanischkurses, von der Sprachschule organisiert. Ein Bus wartete auf die Teilnahmewilligen und karrte uns ca. dreisig Kilometer vor die Toren der Stadt zum Weingut Undurraga. Von Außen könnte der gemauerte Zaun eine Auffrischung des Anstriches vertragen und das eine mannshohe R im Logo hängt schief, in nur noch einer Verankerung. Kaum hat man das Tor passiert, verändert sich der Eindruck schlagartig. Das Weiss in dem die ehemaligen Herrenhäuser gestrichen sind blendet einem; sie erinnern mich an die Häuser der Gutsbesitzer in der argentinischen Pampa. Eines davon wird heutzugabe als Ausstellungs-, Verkaufs- und VIP-Probierraum genutzt. In dem anderen befinden sich die Gärstahltanks und der Eingang zum Keller. Der Rasen könnte im Wembley-Stadion auch nicht grüner und gepflegter sein. Im Mitten des kleinen aber feinen Hausparks befindet sich ein See aus dem eine Fontäne in den Himmel schießt. Zwischen den Bäumen sieht man immer mal wieder Skulpturen der Mapuche, der Ureinwohner im Süden des jetzigen Chile. Sie wurden im Übrigen nie von den Spaniern besiegt und untergejocht, sondern ihr Land ist Ende des neunzehnten Jahrhunderts einfach vom Staate Chile annektiert worden, in einer Gemeinschaftsaktion mit Argentinien, die im Süden ihres Landes das Gleiche taten. Wir latschen entlang der Weingärtenreihen und erfahren von unserem lustigen Guide etwas über den Anbau: hier im durch die Berge gut geschützen Valle Central, genau genommen liegt das Gut im Valle del Maipo, werden die Rotweinsorten angebaut. Alle größeren Weingüter haben deswegen auch Land in Küstennähe, wo die Meeresluftströmungen die Weisweinsorten schmeicheln. Neben dem einen Haus steht ein Kranmonster und tauscht einen der arg zerbeulten, mindestens zehn Meter hohen Ausenstahltanks aus, der während des schweren Erdbebens im Februar letzten Jahres einfach mal geborsten ist. Der ganze Hof stand Knöchelhoch unter Wein. Man hatte Sorge dass, neben dem ärgerlichen Verlust, die Säure des Weines den feinen englischen Rasen zerstören würde. Dies ist nicht eingetreten, dafür hätten aber angeblich die Feldhasen vor Freude Tango getanzt. Nach der Besichtigung der Halle mit den Stahltanks und des mit Bariquefässer gespickten Kellers geht es an die Probe. Als erstes einen gut gekühlten Chardonnay - lecker, danach einen Carmenére - leckerer, dann einen Cabernet Sauvignon - fein bariquiert, aber noch zu jung, weil frisch abgefüllt; muss noch ein bischen schlafen. Um einen der Sätze zu bringen, den es auf jeder Ungarnweinverkostungsreise nicht nur einmal zu hören gibt: "Der kommt noch!". Und zum Abschluss einen Dessertwein. Hier wird die englische Bezeichnung Late Harvest benutzt, aber vom Zuckergehalt macht er den Eindruck als würde er über dem deutschen Eiswein liegen. Weil ja die Chilenen auf süss stehen, wie bereits erwähnt, ist er hier nicht in einer Halbliter- oder gar 0,2 Flasche abgefüllt, sondern in einer ganz Normalen. Dadurch wird beim Einschenken auch nicht gegeizt. Meine Zunge klebt sich mal einfach an den Gaumen fest. Es bleibt mir nichts anderes übrig als zur ultimativen, für Notfälle gedachten Waffe zu greifen: Wasser. Um aus der Schockstarre wieder aufzuwachen, reanimiert mich der gütige Guide mit einem weiteren Glas Carmenére. Die hübschen Gläser, mit dem eingravierten Namen und Logo dürfen wir behalten, auch wenn ich Zweifel habe dass meines heile in Deutschland ankommen wird.

Sonntags um die Mittagszeit. Zu zweit machen wir uns auf den Weg zu einem weiteren Weingut in Stadtnähe, Concha y Toro, dem größten Weingut Chiles und eines der zehn größten Weltweit. Nach einer dreiviertelstunde U-Bahn Fahrt und weiteren 15 min im Taxi sind wir da. Die zwei Security-Jungs am Tor zeigen uns wo das Kartenhäuschen ist, wir drücken elf Euro ab und dürfen rein. Hier ist alles um einiges Größer. Bis zum Beginn der Tour sind es noch zwanzig Minuten, also vertreiben wir uns die Zeit im Verkaufsraum der Größe eines Fussballfeldes. Neben allen Weinsorten und Ausbaustufen, beginnend bei 5 Euro bis nach oben offen, gibt es auch nichts was es nicht gibt mit dem Emblem des Gutes bedruckt, bestickt oder eingebrannt. Zu Beginn gibt es erstmal einen Film zu sehen, dann geht es in den Park mit dem ehemaligen Sommerhaus der Familie, das mitlerweile in Büroräumen unterteilt ist. Nein, das Gut ist nicht mehr in Familienbesitz und die Familie die die Aktienmehrheit inne hat, hat auch keine Töchter. Das Haus ist riesig, der Teich ist noch riesiger und der Park ist am riesigstens. Die Familienkapelle der Größe einer Kirche, hat man netterweise ans Dorf abgetreten und sie befindet sich auserhalb der Umzäunung. Dann geht es in die Weingärten. In jeder einzelnen Spalier ist zusammen mit dem untersten Draht ein Bewässerungsschlauch gezogen oder es gibt einen kleinen Bewässerungskanal. Angeblich wird hier auf Maschineneinsatz gänzlich verzichet und alles ist reine Handarbeit. Im Schatten eines kleineren Häuschens gibt es das erste Glas Wein, einen Sauvignon Blanc. Das einzige was ihn auszeichnet ist seine Kühle, denn ansonst ist er arg dünn auf der Brust. Von den reinen Produktionsräumen (Presse, Gärtanks, Abfülllinie etc.) bekommen wir nichts zu sehen, sondern nur die Lagerungsräume der Bariquefässer. Die haben so viel Wein, dass die erste Etage überirdisch ist, mit Klimaanlagen gekühlt und mit dünnem Wassernebel besprüht wird. Hier werden die niederqualitativeren Weine aufbewahrt und so sind die Fässer auch in vier Reihen gestapelt. Unten im Keller ist alles naturbelassen und die Fässer der hoch- und höchstqualitativen Weine werden auch nicht gestapelt, da sie einer ständigen Qualitätskontrolle unterliegen. Hier ruht auch der teuerste Wein, der in einer CoProduktion mit Baron de Rotschild entstanden ist. Der Keller trägt den Namen Casillero del Diablo, da der Legende nach der Gründer, Don Melchior, die besten Weine des Jahrgangs und auch mehrerer Jahrgänge länger lagern wollte und feststellen musste dass es immer weniger wird, weil sich die Dorfbewohner wohl dran vergreifen. Und so streute er das Gerückt, dass hier unten der Teufel persönlich wohne, was die abergläubischen Weinliebhaber offensichtich fernhielt. Na dann kann ja der Durst nicht besonders groß gewesen sein. Zu guter Letzt gibt es den zweiten Wein der Probe, natürlich nach dem Gründer benannt, einen Syrah. Sau lecker. Auch hier dürfen wir die Gläser mitnehmen, man sieht aber auf den ersten Blick dass sie von niedrigerer Qualität sind und man hat sich auch nicht die Mühe gemacht das Logo einzugravieren, sondern nur den Namen. Egal, es ist ein herrlicher Sommernachmittag. Wir wollen es noch bischen geniesen, nicht den Lärm der Großstadt zu hören und setzten uns in den toll hergerichteten Hof. Die Preise der Karte sind echt pasabel für dieses Ambiente, so dass man sich ruhig für eine Viererprobe entschliesen kann. Die Details erspar ich euch, nur so viel: der Merlot war echt der Hammer und das Cuvee aus Cabernet Sauvignon und Syrah auch. Wer Lust hat kann mal auf die Homepage schauen, da bekommt man einen recht guten Eindruck von dem ganzen Protz:
www.conchaytoro.com

Freitag, 11. Februar 2011

Wochenendimpresionen Reloaded

Ich glaub es nicht. Da gehe ich seelenruhig die Straße entlang und auf ein mal spür ich doch tatsächlich ein Wassertropfen auf meinem Arm. Das wird doch nicht anfangen zu tröpfeln? Zum ersten Mal nach mehr als vier Wochen? Ah, ne. War nur eine Klimaanlage die tropft. Wäre ja auch etwas verwunderlich, wenn es bei diesem strahlend blauen Himmel anfangen würde zu Regnen.

La Chascona. Pablo Nerudas Stadthaus. Eigentlich sind es drei voneinander unabhängige Gebäude, die sich an einem kleinen Hang verteilen und untereinander durch schmale, gar nicht mal so unsteile Treppen verbunden sind. Anfangs gab es nur eines der Gebäude, da er es als geheimes Liebesnest für seine Geliebte Matilde Urrutia bauen lies. Nach seiner Scheidung ist er dort eingezogen und so wurde das Anwesen erweitert. Neruda liebte das Meer über alles und so ist die Architektur auch an das kühle Nass angelehnt. Die Decken sind niedrig (obwohl er ein recht großer Mann war) und abgerundet, so dass man das Gefühl hat im Bauch eines Schiffes zu sein; eines der Gebäude sieht aus wie ein Leuchtturm und bot zur damaligen Zeit einen herrlichen Blick über die Stadt bis hin zu den Anden - heutzutage stellen sich stoisch ein paar Wolkenkratzer in den Weg. Und natürlich besitzt jedes der drei Bauten, obwohl sie nicht besonders groß sind, eine eigene Bar. Alles ist vollgestopft mit Andenken (Nobelpreis, Mitbringsel von verschiedensten Reisen rund um den Globus), Kunstwerke (z.B. das Bild von Diego Riviera zeigt Matilde = die Ungekämmte = La Chascona mit zwei Gesichtern und in dem roten, wallenden Haar erkennt man andeutungsweise Nerudas Umrisse) und Photos mit Freunden (z.B. Picasso). An einer Außenwand ist eine Dankesgedenktafel der tschechischen Regierung angebracht, da man lange Zeit annahm dass der Dichter sich den Künstlername Neruda gab (um der Züchtigung des Vaters zu entkommen, der es natürlich nicht lustig gefunden hätte dass der Bub einem so unehrbaren Beruf wie Künstler nachgeht), in Anlehnung an den tschechischen Dichter Jan Neruda, dessen patriotische Gedichte er sehr schätzte. Heute ist man sich sicher dass er die Partitur der Spanischen Tänze von Pablo de Sarasate gesehen hatte, mit der Widmung an die Violonistin Wilma Norma-Neruda. Na was für ein Glück dass sie auch Tschechin war!! Im übrigen, der Grund warum es die Bächlein nicht mehr gibt, ist weil Neruda wenige Tage nach dem Putsch von 73 gestorben ist, an seinem Krebsleiden - nicht wenige sagen an gebrochenem Herzen - und da er ein Freund Allendes war, hat das Militär das Haus verwüstet. Durch die Berühmtheit des Poeten sind viele ausländische Kamerateams ins Land gestürmt und so war das Verbieten einer öffentlichen Trauerfeierlichkeit unmöglich geworden. Und so wurde der Sarg zwischen zwei Reihen von Soldaten durch Santiago getragen, während ein Vorrufer ohne Unterbrechung "Camarada Pablo Neruda!" rief und die Menge mit "Presente!" antwortete und nach jedem dritten mal mit "Presente, ahora y siempre!". Abwechselnd wurden auch die Namen von Allende und Jara gerufen. Es sollte für lange Zeit die letzte demokratischen Kundgebung bleiben.
Matilde lies später das Haus wieder herrichten und hat dort bis zu ihrem Tode gelebt.

Heute habe ich Lust auf ein ordentliches Stück Fleisch. Und Hunger hab ich auch. Nein, kleines Spässchen, natürlich spreche ich von Steaks. Auf Empfehlung gehen wir in einen Laden in Bellavista, der auf den ersten Eindruck recht nobel, sprich teuer, aussieht: schwere, weiße Tischdecken, blankpolierte Gläser für die verschiedenen Getränke, Kellner in weiss und schwarz. Die Preise auf der Karte sprechen da zum Glück was anderes. Ein eineindeutiger Indiz dafür ist immer der Preis des Pisco Sour, dem Nationalaperitiv schlechthin und der kostet hier nur die Hälfte im Vergleich zu sonstigen Läden, die einem dann nur unterdurchschnittliches Mittelmaß servieren. Die Preise der Steaks sind auch erfreulich. Größe und Geschmack ebenfalls. Das Schmatzen und die zufriedenen Gesichter meiner Tischnachbarn bestätigen dies. Da auch der Wein nicht enttäuscht, kann man von einer guten Empfehlung sprechen. Wir rollen uns in eine der unzähligen Bars hier in Bellavista um auf einen Deutschen zu warten, den man aus der Sprachschule kennt. Er erscheint auch, hat die Tochter seiner Vermieterin dabei und diese noch eine Horde Freundinen im Schlepptau. Sind alle anfang Zwanzig, dafür nicht besonder hübsch. Bestimmte Körperpartien entschädigen. Z.B. die Augen und die sicherlich makellose Seele. Zu später Stunde landen wir in einem Karaoke-Laden und lassen uns von südamerikanischen, zum Kitsch tendierende Rhythmen berieseln. Den Mädels gefällts und sie wippen.

Museo der Arte Precolombino. Nett gemacht. Vor allem die Abdeckung aller precolumbusschen Völker aus ganz Lateinamerika beeindruckt. Da es sich aber hauptsächlich auf Gefässe beschränkt, ist es dann nach dem tausendstent Topf auch irgendwann mal gut. Drum ist es mir ein kleines Rätsel warum es der Lonely Planet als das beste Museum in Santiago anpreist. Was aus der Sammlung herussticht, sind ein paar Spachteln mit denen die Eingeborenen sich psychedelisches Zeug in den Schädel gepfiffen haben. Angeblich nur die Schamanen. Aber wer will heute noch wissen ob nicht z.B. auch die "Großer Bär"-Gang (quasi die Urahnen des Escobar-Kartells) davon Gebrauch gemacht hat, wenn nicht sogar regen Handel betrieb?

Sonntag. Später Nachmittag. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Fleißige Leser dieses Blogs wissen wo man sich da aufhält. Diesmal ist der Nebentisch frei, es erscheinen auch keine angedüdelte Chilenen, sondern zwei großgewachsene Australier. Meine Frage woher sie den sind ist rein rhetorisch, denn die rotblonden Harre, die kurzen Hosen mit Seitentaschen und die kaki Buschhemden mit Epauletten schreien es förmlich heraus. Sie arbeiten für eine Werbeproduktionsfirma und diese hat sich so weit von der Heimat herverlagert, weil es angeblich kein anderes Land gibt, in dem man zwischen relativ kurzen Entfernungen die trockenste Wüste der Erde, das fruchtbare Tal Valle Central, das satte Grün des Südens und die eisige Kälte des ganz-im-südens hat. Bzw. quergelesen, zwischen den schneebedeckten Spitzen der Anden und dem Meer keine 200km. Zum Schluss tauscht man freundlich Handynummern aus und verspricht sich mal auf ein Bier zu treffen.

Auch heute möchte ich mit einer Filmempfehlung enden: Der Postman (Il Postino), eine fiktive Geschichte um Neruda. Allein schon wegen der grandiose Leistung von Philippe Noiret, in einer seiner letzten Rollen (oder gar die Letzte?), würde es sich lohnen den Film anzuschauen.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Antonyme


Dienstag. 19:00. Nach dem ich mich etwas mehr über die Geschichte von Nuestra Casa informiert habe und mit dem ein oder anderen Bewohner plauderte, die nach und nach von ihren Arbeitsstellen eintrudeln, beginnen wir mit den Vorbereitungen der Essensaustragung. Der Koch rührt kräftig einen riesen Eintopf um, dessen Hauptingredienzien Linsen und Reis sind. Er war auch mal ein Bewohner, der es geschafft hat. Ein Freiwilliger aus dem Viertel und ich sind dabei einen 30 Liter Thermobehälter mit Tee vorzubereiten, während uns drei kleine Kätzchen zwischen den Füßen umhertappen. Da er Chilene ist und hier alles super süss ist, kippt er Unmengen von Zucker rein (selbst wenn man sich an einem der Kioske einen frisch gepressten Fruchtsaft gönnt, muss man mit dem "sin azucar, por favor" recht fix sein, sonst hat man ruck zuck drei große Esslöffel im Getränk; die Verhinderung dessen bringt einem Unverständnis äußernde Blicke ein - tsss, Touristen). Wie aus dem Nichts erscheint eine Familie, die ebenfalls in dem Viertel wohnt, mit ihrer ganzen Horde von Kindern, die frohen Mutes sind und willens mitzuhelfen. Die Kleinste ist gerade mal fünf und wie es sich später rausstellen sollte, eine der aktivsten. Als der Koch mal nicht aufpasst, weil er zum Telefon geht, wird schnell etwas Mehl in den Eintopf gekippt, zum Eindicken; und auch noch paar Gewürzwürfel, um dem Ganzen mehr Geschmack zu verleihen. Dann geht es auch schon los, jeder schnappt sich was: einen der zwei Hocker, den Behälter mit Geschirr, die Tüte mit Brot, das Teefäschen und zwei den Megaeintopf (unterwegs müssen sie ständig die Hände wechseln). Es geht fünf Blocks weiter, vor ein Krankenhaus. Die Stelle ist deswegen gewählt worden, weil sich im Winter viele um das Gebäude scharen, um etwas von der Wärme der Abluft abzubekommen. Schon aus der Ferne wird unsere kleine Prozession erblickt und sofort bildet sich eine Schlange. Es sind alle Altersgruppen vertreten: Alte mit desilusionierten Blicken, Junge mit verschwommen Blicken (weil zugedröhnt), ein Pärchen, ein Mann mit seiner alten Mutter, schweigsam Insichgekehrte, welche die einem offen anblicken und paar Worte wechseln wollen. Einer der Mithelfer will seine Schwester einem kleinen, kautzigen Mann für 20.000 Pesos (ca. 33 Euro) verkaufen. Der meint, er hätte schon lange nicht mehr so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Dann bietet ersterer einen Tausch an, gegen den Plastiksack in dem sich der ganze Hab und Gut des Mannes befindet. Er lehnt ab. Was mir im ersten Moment als etwas befremdlicher Scherz erscheint, stellt sich als normaler Umgang raus. Man kennt sich und flunkert. Das herzliche Lachen aller Beteiligten bestätigt dies. Die Helfer sind überrascht dass trotz Sommer heute so viele Leute da sind. Als erstes gehen Teller und Besteck aus. Nach dem dies schnell provisorisch abgespühlt ist, sind nach kurzer Zeit auch Eintopf und Tee aus. Ein paar Nachzügler bekommen leider nichts mehr ab. Alle bedanken sich und gehen ihres Weges, wahrscheinlich um eine Schlafstätte zu suchen.

Dienstag. Kurz nach 23:00. Ich komme zu Hause an. Auf der Terasse vergnügen sich ca. 50 Leute bei elektronischer Musik. Der Hausherr und sein Nachbar schmeißen eine Abschiedsparty, obwohl sie für nur zwei Wochen in Urlaub fliegen. Eine Bedienung reicht Sushi und kühle Getränke. Später gibt es Torte. Ich dusche und geselle mich dazu.